Massive Kalorienreduktion bringt den Körper auf Hochtouren. Abnehmen lässt sich damit nur in den seltensten Fällen.
(efp).- Mit Fasten kann man viel erreichen – nur abnehmen kann man damit kaum. Es sei denn, man fastet bis zum St. Nimmerleinstag. Die Überlebensmechanismen, mit denen uns die Evolution ausgestattet hat, sind meistens stärker als der Wille.
„Ich bin hellwach, brauche nur wenig Schlaf, meine Augen strahlen, die Haut wird klarer und ich bin zutiefst zufrieden“, so beschreibt Birgit ihre Fastenerlebnisse. Damit gehört sie eher zu den Ausnahmen. Den meisten Menschen geht es nach spätestens drei Tagen Fasten ziemlich schrecklich: Essensdüfte, die sie vorher kalt ließen, lösen plötzlich Fress-Fantasien aus, und Vegetarier fühlen sich zu Bratwurstständen hingezogen.
Fasten: Dazu muss man stehen
Fasten ist ein traditionelles Mittel aller spirituellen Traditionen, um sich auf sich selbst zu besinnen, in die eigene Mitte zu kommen und wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Dazu mag es sogar sinnvoll und notwendig sein, erst einmal die Hungerhölle zu durchqueren. Schaffen kann man das mit Meditation, Kontemplation, achtsamem Gehen durch die Natur, Gebet, Stille und Schweigen. Der innere Schwerpunkt liegt dabei aber nicht auf dem Abnehmen, sondern im beharrlichen Warten auf eine Antwort, die man sich zu Beginn dieser „inneren Übung“ gestellt hat. Selten erhält man sie als plötzliche „Erleuchtung“, öfters als einen Fluss, der sich solange aus vielen Rinnsalen speist, bis die Intuition da ist: „Ja, so werde ich das machen.“
Bis dahin heißt es wenigstens zehn, 14 Tage oder mehr durchhalten. Ab dem vierten Tag, das sagen so gut wie alle Fastenjünger, wird es leichter. Dann kann Fasten tatsächlich in eine sogenannte Fasten-Euphorie münden. Wissenschaftler erklären diesen beglückenden Stimmungswandel mit vorübergehenden Umbauprozessen im Hirnstoffwechsel, die zu einem erhöhten Serotoninniveau in den Hirnzellen führen und so das zentrale Nervensystem harmonisieren. Entscheidende weitere Voraussetzung für den positiven Effekt: Man hungert nicht, sondern fastet. Das bedeutet: Man hat sich freiwillig, angst- und stressfrei für den Nahrungsentzug entschieden. Positive Auswirkungen des Fastens sind also ganz entscheidend an die innere Übereinstimmung mit der Situation gebunden. Dann – und vermutlich nur dann – kann Fasten positiv wirken und vielleicht sogar zu einer nachhaltigen Gewichtsreduzierung beitragen.
Fasten bringt die Fettzellen auf Trab
Wer also fastet, weil es in ist, weil die Freundin es auch tut oder weil man der lieben Figur zuliebe zur Selbstkasteiung bereit ist, der wird voraussichtlich scheitern. Dafür gibt es mindestens zwei weitere physiologische Gründe: Die geringe Nahrungsmenge bleibt länger als üblich im Verdauungstrakt, sodass der Körper das Essen gründlicher auswerten kann. Auf den durch den Nahrungsentzug ausgelösten Stress reagiert der Körper außerdem mit einer vermehrten Ausschüttung des Hormons Noradrenalin. Dieses stimuliert die Bildung eines Enzyms namens „Lipoprotein Lipase“, das die Einlagerung von Fett in den Fettzellen fördert. Wegen dieser Hormonumstellung kommt nach einer Diät der Mechanismus der Fetteinlagerung besser denn je in Schwung. Wer jetzt keine Nachdiät einlegt, nimmt rasch zu, denn schon normales Essen liefert dem Körper, der noch auf Diätsparflamme fährt, während das Fettenzym Lipoproteinlipase auf Hochtouren arbeitet, neue Fettreserven. Nur einer von sechs Übergewichtigen schafft es Studien zufolge, wenigstens zehn Prozent seines erzielten Gewichtsverlustes länger als ein Jahr zu halten. Untersuchungen der Universität Melbourne zeigen, dass auch ein Jahr nach einer Fastendiät der Spiegel Hunger auslösender Hormone noch erhöht ist.
Fasten für die Figur
Ein kleine Hoffnung gibt es dennoch: Wer nach einer Diät nicht zu alten Essgewohnheiten zurückkehrt, sondern sehr sorgfältig sein Hungergefühl beobachtet, es befriedigt, sobald es auftaucht und nichts mehr isst, sobald der Hunger – und nicht die Lust – verschwunden ist, hat trotzdem gute Chancen, sein Gewicht zu halten. Doch nicht nur die Summe der Tageskalorien zählt, sondern z.B. auch die aktuelle Glukosesituation im Blut. Glukose ist ein Einfachzucker, den unsere Verdauung aus allen pflanzlichen Lebensmitteln herausholt und als Kraftstoff nutzt. Zwischenlager befinden sich zusätzlich in Leber und Muskeln. Sind auch diese Speicher voll, also z.B. nach dem zweiten Stückchen Sahnetorte, nach Bratkartoffeln, Baguette oder Limonade, dann wird der Glukoserest in die Fettzellen gestopft – auch wenn die Tageskalorienzahl nicht überschritten wurde. Die zweite Einschränkung bezieht sich auf die Art der Fettsäuren. War die Torte so richtig lecker und mit viel Butter gebacken, dann hat man auch gleich noch eine Portion gesättigter Fettsäuren gefuttert, die unser Körper ohne viel Federlesen meistens gleich in Fettdepots umwandelt.
Grundsätzlich sollte man nach einer Diät darauf achten, gesättigte Fettsäuren, wie sie in tierischen Fetten vorkommen, weitgehend zu meiden und zuckerhaltige Leckerbissen nur in kleinen Mengen zu genießen. Auch ein Stückchen Schokolade ist ein Gaumenschmaus, es muss keine halbe Tafel sein. Besonders sparen sollte man mit Fett. Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam Rehbrücke kamen zu dem Ergebnis, dass Nahrungsfett im Verhältnis zu seinem Kaloriengehalt (Fett hat mehr als doppelt so viel Kalorien wie Kohlehydrate) nur wenig sättigt. Die gute Botschaft: Wer Fett weglässt, hat kein Bedürfnis, das dadurch entstehende Kalorienminus anderweitig auszugleichen.
Fettzellen sind überlebenswichtig
(efp).- Als Alternative zur Diät zwingen sich viele Schlankheitswillige zur Nulldiät. Hier scheinen die Anfangserfolge zunächst recht zu geben. Zwei, drei Kilo Gewichtsverlust in den ersten drei oder vier Tagen sind keine Seltenheit. Doch der Schein trügt: Beinahe alles davon ist Wasser, das der Körper infolge der Ernährungsumstellung ausscheidet und sich bei Normalkost wieder einbehält. Beim Fasten verhält sich der Körper nicht anders als bei Diäten: Die Fettzellen stemmen sich gegen jeden weiteren Gewichtsverlust. Schließlich sind sie ab einem gewissen Punkt für den Körper und unser Wohlbefinden, ja sogar Überleben unverzichtbar. Fettzellen dienen nicht nur als Energiereservoir, sondern z.B. auch den Nerven als elektrische Isolierung. Ohne operativen Eingriff gehen Fettzellen nicht verloren. Bei Normalgewichtigen beträgt das Depotfett zwischen acht und 12 Kilogramm des gesamten Körpergewichts. Erwachsene haben geschätzte 600 Milliarden solcher Energiespeicher, die bei einer Diät in Wartestellung gehen und auf Nachschub drängeln. Kommt der, können die ca. 0,3 bis 0,9 Mikrogramm leichten Winzlinge bis auf das 200-Fache ihrer Größe anschwellen. Mutet man dem Körper mehr Kalorien zu, als die vorhandenen Fettzellen speichern können – das Limit liegt etwa bei 30 Kilo Fettanteil des Körpers -, dann produziert er sogar neue, genetisch gar nicht vorgesehene Fettzellen.
So bleibt unter dem Strich die Erkenntnis: Abnehmen durch massive Kalorienbeschränkung ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eher eine Gewichtszunahme, sobald man seine eintrainierten Ernährungsgewohnheiten wieder aufnimmt. Fasten sollte man allenfalls aus spirituell-religiösen Gründen – oder gar nicht.
Quellen: http://amor.rz.hu-berlin.de; http://focus.msn.de; http://in.germany.com; Ärztegesellschaft Heilfasten & Ernährung; 4well.de; American College of Cardiology; apoverlag.at; bodybuilding-und-fitness.info; datadiwan.de; Deutsches Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik; dgk.de; ead.de; ernaehrung.de; E.U.L.Enspiegel; fasten-kolleg.de; fastenfreude.de; fastenfueralle.com; Freie Heilpraktiker e. V.; freundin.de; Moderne Ernährungsmärchen, Sven-David Müller-Nothmann, Michael Vogt und Doreen Nothmann, Schlütersche Verlagsanstalt; naturheilkunde-aktuell.de; sivananda.de; stjosef.at; ugb.de; Uwe Knop, Hunger und Lust; wave77.de; waz.de; wdr.de; wikipedia; zdf.de; zeit.de
'Fasten: Guter Wille genügt nicht' has 1 comment
23. März 2021 @ 18:31 George
Nützliche Tipps. Gute Idee. Vielen Dank!