Harmlose Schulmedizin?

Der wissenschaftliche Anspruch der Schulmedizin wird oft durch die „Datenmassage“ der Pharmaindustrie ad absurdum geführt.

Dass man die Wirkung einer Behandlung beweisen kann, finde ich gar keine schlechte Idee. Es ist die Idee, mit der die Schulmedizin hausieren geht. Es ist die Idee, die Naturheilkundler für sich in Anspruch nehmen, die Heilpraktiker, die Handaufleger, die Schamanen, die Priester. Plausibel ist die Forderung aus der Sicht des Patienten. Sie lautet schlicht: „Wer heilt, hat Recht.“

Der Arzt reicht uns an die Pharmaindustrie weiter

Skeptiker wenden ein: Und wenn es nur eine Schein-Heilung ist? Hier könnte man nachfragen: Wenn der Schein sechs Jahre aufrechterhalten wird – wie bei so manchem Krebsmedikament, das dann eben noch nichts hilft –, weil Krebsmedikamente danach beurteilt werden, wie viele Menschen nach fünf Jahre gestorben sind, ist so ein Schein dann plötzlich doch noch „Heilung“?

Wie auch immer, das Wörtchen „scheinheilig“ blüht da in unserem Hinterkopf auf. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich subjektive Besserung ganz einfach feststellen lässt: Die Leute fühlen sich besser. Eine seltsame Vorstellung hingegen ist die, dass sich Menschen miserabel fühlen, die Medizin ihnen aber erklärt, es gehe ihnen jetzt besser, etwa nach einer Chemotherapie. Noch seltsamer wird’s, wenn man erkennt, dass ein Großteil der Schulmedizin von der Pharmaindustrie abhängig ist. Denn was tun Ärzte meistens? Sie schreiben ein Rezept – und reichen uns an die Pharmaindustrie weiter (meistens, hoffe ich, reinen Gewissens).

Pharma oder Mafia – egal?

Das Medikament, dass man dann aus der Apotheke mit nach Hause bekommt, wurde, so wird uns erzählt, gründlich von Experten getestet und für vergleichsweise harmlos befunden. Es heilt, hoffen wir, wenigstens ein bisschen. „So wird uns erzählt!“ Andere Menschen sehen das anders; nicht Laien wie unsereins, sondern Leute, die es wissen müssen, weil sie im Herzen des Pharmaimperiums gearbeitet haben. So schreibt Peter Rose, der als ehemaliger Marketingdirektor beim Pharmariesen Pfitzer erfolglos versucht, sein Gewissen abzutöten:

„Es ist beängstigend, wie viele Ähnlichkeiten zwischen dieser Industrie und der Mafia bestehen. Die Mafia verdient obszön viel Geld, ebenso diese Industrie. Die Nebenwirkungen des organisierten Verbrechens sind Tötungen und Tote, genau wie in der Pharmaindustrie. Die Mafia besticht Politiker und andere, genau wie die Pharmaindustrie. Der Unterschied besteht darin, dass die Leute in der Pharmaindustrie – nun ja, ich würde sagen, 99 Prozent von ihnen – sich für gesetzestreue Bürger halten, nicht für Leute, die jemals eine Bank ausrauben würden.“

„Tödliche Medizin“ ist keine Erfindung

Harter Tobak. Kaum zu glauben, nicht wahr? Aber es kommt noch heftiger, und zwar von einem Biologen und Chemiker namens Peter C. Gøtzsche. Im breiten Publikum kennt man ihn nicht, in der Pharmabranche ist er gefürchtet. Denn der international renommierte Wissenschaftler ist Leiter des Nordischen Cochrane Zentrums in Kopenhagen, das den lieben langen Tag nichts anderes tut, als den Schaden oder Nutzen von Arzneimitteln zu bewerten. Und Gøtzsche veröffentlichte 2014 ein Buch mit dem Titel: „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität“. Nicht nur das arzneimittelkritische Verbrauchermagazin „Gute Pillen – Schlechte Pillen“ empfiehlt die spannende Lektüre „mit Unterhaltungswert“; kürzlich erhielt das Buch auch von der British Medical Association den ersten Preis in der Kategorie „Grundlagen der Medizin“.



Bobby Langer hat viele Jahre lang als freier Journalist und im PR-Geschäft gearbeitet. Seine Spezialität ist das sorgfältige Zuhören und die verständliche Formulierung auch schwieriger Sachverhalte. Bei ecoFAIRpr hat er zurzeit die Redaktionsleitung.


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