Fruktose – mit Vorsicht zu genießen

Fruchtzucker schmeckt besser als Haushaltszucker, ist aber mindestens ebenso bedenklich

(efp). Lassen wir die Kirche im Dorf: Nichts ist gegen den normalen Genuss von Obst einzuwenden. Wer zwei Äpfel hintereinander gegessen hat, hat nämlich selten Lust auf einen dritten. In einem (!) Glas Apfelsaft stecken aber mindestens drei Äpfel, unter dem Strich übrigens 24 Gramm Zucker. Das sind ungefähr sechs Teelöffel voll, also die Tages-Höchstmenge an Zucker, wie sie neuerdings die Weltgesundheitsorganisation WHO angegeben wird.

Fruktose als Vorsorge für den Winter?

Aber wie schnell hat man nicht ein Glas Apfelsaft getrunken! Und genossen (ich liebe naturtrüben Apfelsaft). Der Fruchtzucker darin landet leider so gut wie vollständig in meiner Leber, die umgehend reagiert, indem sie die einströmenden Kohlenhydrate in die Fettzellen stopft. In Urzeiten war das eine praktische Vorsorge für unser Überleben. Im Herbst haben wir uns mit Beeren und Früchten vollgestopft, und mit dem resultierenden Fett kamen wir gut über den Winter. Außerdem löst, das sei zu ihrem Vorteil gesagt, die Fruktose so gut wie keine Insulinausschüttungen an, führt also nicht in den Diabetes.

Fruktose schmeckt gefährlich gut

Nun, heute gibt es den Winter als Mangelzeit nicht mehr. Eher im Gegenteil habe ich ihn als die Zeit der Völlerei und des Zuckerschleckens kennengelernt (hmmm: Marzipan oder gefüllte Nougateier!). Haushaltszucker (Saccharose) besteht übrigens zu 50 Prozent aus Fruktose (der Rest ist Glukose). In den Fertigprodukten der Nahrungsmittelindustrie steckt bevorzugt Fruktose. Erstmal, weil Fruktose so harmlos klingt, zweitens,weil Fruktose besser schmeckt als Glukose. Schließlich besteht ja der Sinn von all dem Zeugs darin, die Leute zu einem möglichst hohen Verbrauch zu verführen – im Sommer zu Speiseeis und Kuchen, im Winter zu Kuchen und Speiseeis. Schmecken muss es vor allen Dingen, schmecken, schmecken (dass wir aus Hunger essen, ist ja eher zur Ausnahme geworden). Und mit dem verführerisch guten Geschmack von Fruchtjogurt über Gummibärchen bis zu Cola werden wir mithilfe einer Urerfahrung übertölpelt, dem Urwissen nämlich: süß = harmlos, süß = gut fürs Überleben. Süß, so hat uns die Evolution gelehrt, kann nicht schlecht für uns sein. Ist es aber. Ganz besonders Fruchtzucker bzw. Fruktose.

Viel Fruktose ist gefährlich fürs Herz

Wie sehr der Konsum von Fruktose in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist, zeigt ein Blick auf den Verbrauch von stark fruktosehaltigem Maissirup im Vorbild-Land USA: 1970 lag der Jahreskonsum bei 230 Gramm pro Kopf, heute liegt er bei weit über 28.000 Gramm. Die grassierende Fettsucht ist ein Ergebnis davon. Doch der hohe Fruktosekonsum birgt weit heftige Gefahren. Neuste Einsicht: Fruktose steht im Zusammenhang mit einem molekularen Mechanismus, der zu unkontrolliertem Wachstum des Herzmuskels führt, was bis hin zum tödlichen Herzversagen führen kann. Im Rahmen der in der renommierten Fachzeitschrift „nature“ veröffentlichten Studie (Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften der ETH Zürich) tauchten auch Hinweise auf, dass ein erhöhter Fruchtzuckerkonsum das Wachstum von Krebszellen befeuert.

Die Konsequenzen fürs persönliche Konsumverhalten: Süßigkeiten als Luxus betrachten, den man sich mal und nicht täglich gönnt; selbst kochen; gesüßte Produkte der Getränkeindustrie möglichst meiden und Fruchtsäfte als das anerkennen, was sie sind: konzentrierte Früchte, die man als etwas Besonderes genießt und nicht als Durstlöscher trinkt.

Eine Liste von Nahrungsmitteln und Geträken mit hohem Fruktosegehalt hat die verbraucherzentrale Hamburg zusammengestellt. Sie kann HIER heruntergeladen werden.


Maria Ghoebel befasst sich seit vier Jahrzehnten mit Ernährungs- und Gesundheitsthemen. Sie lebt zurückgezogen in der Eifel und pflegt einen meditativen Lebensstil.


'Fruktose – mit Vorsicht zu genießen' have 2 comments

  1. 25. Juli 2015 @ 9:58 Arwén

    Ich habe vor Kurzem zudem noch gelesen, daß scheinbar Fructose zwar genauso süß wie Glucose schmeckt, aber im Hirn nicht den gleichen Sättigungseffekt erzielt. D.h. letzlich, wir essen mehr (zu viel?), wenn wir Produkte zu uns nehmen, die anstelle “normalen” weißen/ braunen Zucker Fruchtzucker zugesetzt bekommen. Leider weiß ich nicht mehr die Quelle, evtl. Utopia.

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