Unterschätzter Holunder

Der Holunder ist kulinarisch und naturheilkundlich eine Entdeckung

(efp).- „Weißer Holunder blüht wieder im Garten …“, trällerte Anfang der 1960er Jahre die Schlagersängerin Lolita. Und nicht nur Fans deutschsprachiger Evergreens hören diese Botschaft immer wieder gerne. Auch Naschkatzen und Feinschmecker haben Grund zur (Vor)Freude, wenn sich am – zwar nicht „weißen“, aber weiß blühenden – Holunder die ersten Blütenrispen zeigen.

Die von Mai bis Juli dauernde Blütezeit ist nämlich Auftakt für eine Saison kulinarischer Genüsse. Mit dem Erscheinen der anfänglich roten, im Reifezustand dann schwarzen Beeren in Spätsommer und Frühherbst erreicht sie ihren Höhepunkt. Süße Hollerküchel, Fliedersuppe, Holundergelee, -saft, -sirup oder -sekt: Aus den süß duftenden Blütendolden und den Früchten des Schwarzen Holunder oder „Flieder“ (nicht zu verwechseln mit dem Zierstrauch gleichen Namens!) lässt sich allerhand Leckeres herstellen. Auch Gesundes. Aus den getrockneten Blüten zum Beispiel Fliedertee, ein altes Hausmittel, das in der Volksmedizin schon seit Jahrhunderten gegen Erkältungskrankheiten eingesetzt wird. Wie wohltuend dieser heiße Aufguss gegen Schnupfen & Co. ist, hat mancher vielleicht schon selbst erlebt. Was da eigentlich wirkt und warum auch andere aus der Pflanze gewonnene Mittel in der modernen Naturheilkunde einen guten Ruf genießen, unter anderem die Immunabwehr stärken und sogar gegen ernsthafte Erkrankungen schützen sollen, ist weniger bekannt. Dabei gehört der Holunder, dem früher sogar magische Kräfte zugeschrieben wurden, zu unseren ältesten und bewährtesten Heilpflanzen.

Holunder: heiliger Baum und Zauberpflanze

Wie viel Gutes in dem anspruchslosen, frostharten Strauch aus der Familie der Moschuskrautgewächse (Adoxaceae) steckt, den man in fast ganz Europa an Waldrändern und in der Nähe menschlicher Behausungen findet, wussten schon unsere Vorfahren. Nicht umsonst galt der im deutschen Sprachraum auch unter volkstümlichen Namen wie Holler, Holderbusch, Flieder, Elder, Alder oder Kelkebusch bekannte Schwarze Holunder bei Kelten und Germanen als heiliger Baum der Göttin. Die Germanen sollen ihrer Göttin Holla, die in der Frau Holle unserer Märchen und Sagen fortlebt, sogar unter dem nach ihr benannten Baum geopfert haben. Die moderne Wissenschaft ist da zwar anderer Meinung – doch darüber, dass der Holunder im Volksglauben der christlichen Epochen bis weit in die Neuzeit eine wichtige Rolle spielte, sind sich Ethnologen einig.

Da der einst „heilige Baum“ eine allseits bekannte Heilpflanze war und zudem zu den so genannten Zauberpflanzen zählte, rankten sich viele Volksbräuche um ihn. Er wurde sogar zu magischen Praktiken benutzt, etwa um Hautkrankheiten des Viehs per „Sympathiezauber“ zu heilen, oder als Orakelbaum. Außerdem pflanzte man ihn gerne als „Hausbaum“, weil er im Ruf stand, Sitz der guten Hausgeister zu sein und Mensch und Tier gegen böse Geister und Blitzschlag zu schützen. Kein Wunder, dass diese magische Aura den Holunder aus christlicher Sicht verdächtig machte, ja ihn bisweilen als regelrechten Teufelsbaum in Verruf brachte. Im Mittelalter beispielsweise glaubte man, er stehe mit Hexerei und Schadenszauber in Verbindung. Unter anderem hütete man sich deshalb, das Heim mit Möbeln aus Spuk-trächtigem Holunderholz auszustatten. Das zu vermeiden dürfte allerdings nicht schwergefallen sein; es war ohnehin verboten, Holunderbüsche zu fällen.

Apotheke Hollerbusch

Größte Bedeutung kommt dem Holunder von jeher in der Volksmedizin zu. Besonders die ärmeren Bevölkerungsschichten nutzten ihn früher als eine Art Allheilmittel. Ein alter Spruch bringt die Wertschätzung des Strauchs zum Ausdruck: „Ein Hollerbusch hinterm Haus ersetzt eine ganze Apotheke.“ Neben den bis heute begehrten Blüten und Beeren verwendete man in der Vergangenheit rein alles, was der Holunder zu bieten hatte – von der Rinde (bei Verdauungsstörungen) über die Wurzel (bei Schlangenbissen) bis zu den Blättern (bei Geschwüren etc.) und Blüten (bei Erkältungen). Und nicht nur das Volk, auch Ärzte sowie gelehrte Naturforscher und Kräuterexperten wussten, wozu der Holunder gut ist. Die antike Medizin nutzte ihn bei verschiedenen Erkrankungen, zum Beispiel gegen Frauenleiden, Verstopfung oder als schleim- und gallelösendes Therapeutikum. Schon der große Hippokrates (460 – 377 v. Chr.) beschrieb in seinen Schriften Anwendungen auf Holunderbeeren-Basis, der griechische Arzt Dioskurides empfahl Arzneien aus Wurzeln und Blättern. Auch in natur- und pflanzengeschichtlichen Werken der griechischen und römischen Antike finden die therapeutischen Aspekte des Holunder Erwähnung.
Während die berühmte Hildegard von Bingen den zauberverdächtigen Strauch als Heilpflanze für Christenmenschen ablehnte, knüpfte vor allem die Pflanzenheilkunde des 15. und 16. Jahrhunderts an alte Traditionen an. Bei Renaissance-Ärzten und -Botanikern wie Paracelsus, Leonhart Fuchs oder Hieronymus Bock stand der Holunder in hohen Ehren. Sebastian Kneipp sowie andere Naturärzte der Moderne hielten ebenfalls viel von der uralten Heilpflanze. Und heute? Als sanfte, vielseitige Mittel aus der Naturapotheke sind Holunder-Anwendungen wieder aktuell – und inzwischen weiß man auch, warum sie wirken.

Die heilkräftigen Inhaltsstoffe des Holunders

Was früher ausschließlich Erfahrungswissen war, haben pharmakologische Untersuchungen bestätigt: Viele Inhaltsstoffe des Schwarzen Holunders besitzen eine gesundheitsfördernde und heilkräftige Wirkung:
So enthalten die Blüten des Holunderstrauchs neben Triterpenen, Triterpensäuren, Rutin, Flavonoiden, Sterolen, Cholesterin, Kaffeesäure, Gerb- und Schleimstoffen sowie Mineralstoffen auch ätherische Öle. Ihnen verdankt der Tee aus getrockneten Blüten, der außer bei Erkältungskrankheiten u.a. auch bei Magenbeschwerden gegeben wird, seine schleimlösende und schweißtreibende Wirkung. In den gerne zu Umschlägen genutzten Blättern finden sich ebenfalls ätherische Öle, dazu Sambucin, Gerbstoffe, Bitterstoffe, Flavonoide und Triterpene. Die Rinde – sie wirkt, wie die Wurzel, harntreibend – enthält Sambucin, Triterpene, Saponin, Phythämagglutine, ätherische Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe und Harze.

Holunder-Beeren haben es in sich

Dass der Genuss von Holunder-Saft oder Präparate auf Holunderbeer-Basis das Immunsystem fit gegen Erkältungskrankheiten macht, liegt vor allem am reichen Vitamin-C-Gehalt der Beeren. Auch Fruchtsäuren und die Vitamine A, B1 und B2 gehören zu ihren Inhaltsstoffen. Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem Farbstoff Sambucyanin, der überwiegend in der Schale vorkommt und den Früchten ihren satten Schwarzton verleiht. Wer sich die Kleidung schon mal mit Beerensaft bekleckert hat, weiß, wie hartnäckig er färbt: Die Flecken wieder zu entfernen, ist fast aussichtslos. Früher machte man sich diese nachhaltige Farb-Wirkung bewusst zunutze und verwendete Holunder zum Färben von Leder, Rotwein oder Haaren. Heute setzt die Lebensmittelindustrie zunehmend auf die Kraft des natürlichen Holunderfarbstoffs. Doch vor allem Gesundheitsbewusste profitieren von seinen Eigenschaften. Denn das auch in Säften und anderen Zubereitungen aus Holunderbeeren enthaltene farbgebende Anthocyan ist ein Antioxidans, das die Zellmembrane der Pflanze vor Veränderungen durch freie Radikale schützt und so ihren Alterungsprozess verlangsamt. Man nimmt an, dass dieser Effekt auch dem Menschen zugutekommt. Noch positiver wird eine weitere Eigenschaft des Farbstoffs Sambucyanin bewertet: Da dieses zu den sekundären Pflanzenstoffen zählende Flavonoid ein Radikalenfänger ist, soll es das Risiko von Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen senken.

Vorsicht – giftige Holunder-Teile

(efp).- Vorsicht – nicht alle Inhaltsstoffe des Holunder sind heilsam! In Blättern und Rinde, aber auch in den unreifen Beeren sowie den Samen der reifen Beeren ist Sambunigrin enthalten – ein Blausäure-Glykosid, das bei Verzehr fatale Auswirkungen auf Tier und Mensch hat. Bei Kindern und Haustieren ruft der schwach giftige Stoff Symptome wie Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Magenbeschwerden und Atembeschwerden (Haustiere) hervor. Vögel können sogar sterben, wenn sie größere Mengen Sambunigrin zu sich nehmen.
Bedenklich ist jedoch nur der Verzehr roher Früchte, denn bei Erhitzen zerfällt das Sambunigrin und büßt seine Giftigkeit ein. Holunderbeeren dürfen daher ausschließlich gekocht verwendet und genossen werden!

Holunder- oder Fliedertee

(efp).- Das gebräuchlichste Holunder-Hausmittel ist einfach zuzubereiten und schmeckt in einer Mischung mit Lindenblüten besonders angenehm:

Einen gehäuften Teelöffel getrocknete Holunderblüten (oder Holunder- sowie Lindenblüten gemischt) in eine große Tasse geben, mit kochendem Wasser aufgießen und gut fünf Minuten bedeckt ziehen lassen. Den Aufguss abseihen, mit Honig süßen und so warm wie möglich trinken.
Wirkt bei sowie zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten; in der Volks- und Kräutermedizin u.a. auch bei Magenbeschwerden eingesetzt.
Tipp: Wer keinen Holunderstrauch im Garten hat und nicht selber sammeln und trocknen möchte, bekommt die getrockneten Blüten als „Flores sambucci“ in Apotheken.

Holunder-Rezepte

(efp).- Dass eine so alte Kulturpflanze wie der Holunder auch mannigfach und mannigfaltig in der Küche eingesetzt wurde, versteht sich von selbst. Zum Beispiel als

Hollerküchel

Zutaten:
Holunderblüten-Dolden, Pfannkuchenteig, Butterschmalz, Puderzucker oder Zimt-Zucker

Zubereitung:
Holunderblüten-Dolden ca. 15 bis 20 cm lang abschneiden, waschen und trocken schütteln. Einen etwas festeren Pfannkuchenteig zubereiten, die Blüten am Stiel nehmen, in den Teig tunken und sofort in heißem Butterschmalz schwimmend ausbacken. Küchle vor dem Servieren mit Puderzucker oder Zimt-Zucker bestreuen.
Tipp: Der Pfannkuchenteig kann nach alter bayerischer Rezeptur auch mit dunklem Bier statt mit Milch angerührt werden.

Holunderbeersuppe

Zutaten:
¼ Liter Wasser, 250 Gramm Holunderbeeren, 15 Gramm Speisestärke, Zucker (nach Geschmack), evtl: eine Prise Zimt, 1 Apfel.
Zubereitung:
Holunderbeeren in Wasser kochen, anschließend durch ein Sieb passieren. Den Saft in einen Topf geben, das mit etwas Wasser angerührte Stärkemehl einquirlen, Zucker nach Geschmack zugeben, die Suppe aufkochen und kurz köcheln lassen. Wer möchte, kann mit etwas Zimt würzen oder direkt vorm Servieren noch einen Apfel in die Suppe raspeln.

Ein komplettes Holunder-Kochbuch: Claudia Diewald/Michaela Rudnick, Holler. Duftige Blüten und aromatische Beeren zum Genießen, 107 S., 14,95 Euro, Verlag J. Neumann-Neudamm, ISBN 978-3-7888-1439-7

Quellen: samuelhahnemannschule.de; zauber-pflanzen.de; heilkraeuter.de; forum-naturheilkunde.de; lyricsplayground.com; bad-bad.de; wikipedia; Rosemarie Bog, Gesundheit aus dem Kräutergarten der Natur, Hampp Verlag Stuttgart; Dr. Rainer Schunk, Heilkraft aus Heilpflanzen, Kaulfuss-Verlag Abtswind; Dieter Harmening, Wörterbuch des Aberglaubens, Reclam Verlag Stuttgart.

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Bobby Langer hat viele Jahre lang als freier Journalist und im PR-Geschäft gearbeitet. Seine Spezialität ist das sorgfältige Zuhören und die verständliche Formulierung auch schwieriger Sachverhalte. Bei ecoFAIRpr hat er zurzeit die Redaktionsleitung.


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