Butter oder Margarine?

Viele essen der Gesundheit zuliebe Margarine statt Butter. Aber ist das wirklich sinnvoll?


(efp).- Für Urgroßmama und Oma war noch alles in Butter. Ob sie Stullen schmierten oder zum Backen und Kochen Butter verwendeten: Sie wussten, das Ergebnis ist schmackhaft – und sie tun ihren Lieben auch sonst Gutes. Butter, eines der ältesten und beliebtesten Nahrungsfette unserer Breiten, war nämlich bis weit ins 20. Jahrhundert nicht nur eine unverzichtbare Grundsäule der guten Küche. Nahrhaft und trotzdem leicht verdaulich, galt sie auch als besonders bekömmlich und gesund. Doch diesen guten Ruf hat sie an eine Konkurrenz verloren, der – nach bescheidenen Anfängen – in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein geradezu kometenhafter Aufstieg gelang: die Margarine. Heute weiß (fast) jedes Kind, dass tierische Fette wie Butter gefährlich sind, Margarine dagegen gesund, weil sie nur pflanzliche Fette enthält.

Als vegetabiles Gesundfutter war die „Kunstbutter“ ursprünglich allerdings nicht gedacht. Wie kam es also zu der inzwischen fest in vielen Köpfen verankerten Einteilung in „gute Margarine – böse Butter“? Und: Macht es tatsächlich Sinn, sich daran zu halten?

Erschwinglicher Butterersatz

Dann gibt’s ab jetzt eben Margarine: Als 2007 die Preise für Milch und Milchprodukte nach oben schnellten und es mit der „Billigbutter“ vom Discounter erst einmal aus war, konnte man diesen Satz öfters vernehmen. Denn was sich auch sonst für oder wider die Margarine sagen lässt: Die meisten Sorten kosten deutlich weniger als Butter. Ein Vorteil, der ihr sozusagen in die Wiege gelegt ist. Butter war nämlich schon immer etwas teurer, auch im beginnenden Industriezeitalter. Die Masse der Arbeiterschaft beispielsweise konnte sie sich damals kaum, die Armen überhaupt nicht leisten. Bei der Versorgung der Armee ging sie ebenfalls ziemlich ins Geld. Deshalb regte der französische Kaiser Napoleon III – manche sagen auch, die Idee ginge bereits auf Napoleon Bonaparte zurück – die Entwicklung eines günstigen Butterersatze s an.

Mit Erfolg. Der Chemiker Hippolyte Mège-Mouriès kreierte 1867 auf der Grundlage von tierischen Fetten ein streichfähiges Speisefett, das er sich 1869 patentieren ließ. Weil seine künstliche Butter weiß schimmerte, nannte er sie nach dem griech. Wort für Perle – margaron – Margarine. Mit dieser „Perle“ bekam nicht nur das Militär endlich sein (erschwingliches) Fett. Die im späten 19. und frühen 20. Jh. einsetzende Massenproduktion, bei der Deutschland Vorreiter war, wirkte sich auch positiv auf die Ernährungssituation der ärmeren Bevölkerungsschichten aus. Trotzdem: Die auch „Sparbutter“ genannte Margarine wurde zwar gegessen, aber nicht geliebt. Dass ihr lange der Ruf einer Arme-Leute-Kost und Ersatzbutter für Kriegs- und Notzeiten anhaftete, war nicht der einzige Grund dafür: Weder Mège-Mouriès’ Ur-Rezept – eine Mischung aus Rindertalg, Magermilch und gehäckseltem Kuheuter – noch spätere, ähnlich appetitliche Mixturen auf Tierfett- und Schlachtabfall-Basis, konnten es mit dem feinen Buttergeschmack aufnehmen.

„Butter macht Herzinfarkt“

Daran änderte auch die in den 1950er Jahren erfolgte Rezepturumstellung auf pflanzliche Fette nicht allzu viel. Die Margarine schmeckte jetzt zwar besser, aber immer noch nicht wie Butter. An einem kulinarischen Patt der Konkurrenten konnte es also nicht gelegen haben, dass der Margarineverzehr seit Mitte des 20. Jahrhunderts stetig zu steigen begann und die zum vegetabilen Fett mutierte „Kunstbutter“ sich schließlich als unverzichtbares Nahrungsmittel etablierte: Ausschlaggebend für diese Entwicklung war das Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher. Verunsichert und aufgeschreckt durch ständige und immer eindringlichere Hinweise auf die gesundheitsschädliche Wirkung von Butter, wechselten viele das Lager und liefen besonders ab den 1970ern in Scharen zur Margarine über. Kein Wunder, wurden doch damals über Werbung und Medien Drohbotschaften wie „Butter macht Herzinfarkt“ oder „Butter verkürzt Ihre Lebenserwartung“ verbreitet. Sie bildeten den Höhepunkt eines rund 20 Jahre zuvor gestarteten Image-Feldzugs der Margarineindustrie, die ihr Produkt als gesunde Alternative aufwerten und so besser verkaufen wollte. Das Besondere dabei: In diesem speziellen Fall hatten die Werbeslogans offenbar Hand und Fuß, sprich einen ernstzunehmenden wissenschaftlichen Hintergrund. Denn hatte die Forschung nicht herausgefunden, dass ein Zusammenhang zwischen cholesterinhaltigen Nahrungsmitteln, hohem Cholesterinspiegel und Herzinfarkt sowie anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen besteht?

Cholesterin auf dem Brot …

Als Hauptübeltäter gerieten neben dem Cholesteringehalt der Nahrungsmittel vor allem die gesättigten Fettsäuren ins Visier. Sie sind in tierischen Fetten enthalten und, wie es hieß, maßgeblich für die Zunahme des „bösen“ LDL-Cholesterins im Blut verantwortlich. Butter wird aus Milch, Rahm oder Molkenrahm gewonnen, ist also ein tierisches Fett- und enthält reichlich gesättigte Fettsäuren; Cholesterin sowieso. Von da bis zur Verbraucherängste schürenden, werbewirksamen (Kurz-)Schlussfolgerung, jedes Gramm Butter auf dem Brot oder im Essen erhöhe automatisch den Cholesterinspiegel und somit das Risiko an Arteriosklerose zu verkalken und/oder an einem Infarkt oder Schlaganfall zu sterben, war es nur ein Katzensprung. Die Folge: Der Butterverbrauch sank, der Margarineverzehr stieg sprunghaft an – und selbst Ärzte rieten zur Margarine. Denn die zu 97 Prozent aus pflanzlichen Fetten bestehende Margarine schien nicht nur über jeden KrankmacherVerdacht erhaben, sie punktete sogar als „Anti-Cholesterin“-Lebensmittel. Nicht ganz unbegründet, da Margarine einen hohen Anteil der in pflanzlichen Fetten vorkommenden ungesättigten Fettsäuren aufweist und diese den Cholesterinspiegel senken können. Trotzdem hat beispielsweise die Bundesärztekammer ihre Empfehlungen zum Margarineverzehr inzwischen widerrufen – und auch dafür gibt es gute Gründe.

…oder alles wieder in Butter?

Aktuelle Studien lassen frühere Aussagen zum Thema Cholesterin/tierische Fette nämlich in einem mehr als fragwürdigen Licht erscheinen. Sie ergaben, dass sich weder der seit den 1970ern behauptete 1:1-Zusammenhang zwischen der Zufuhr gesättigter Fettsäuren und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen noch der zwischen Butterverzehr und hohem Cholesterinspiegel wissenschaftlich belegen lässt. Als ebenso unhaltbar erwies sich die Behauptung, an der Zivilisationskrankheit Herzinfarkt sowie den steigenden Herzinfarktraten der letzten Jahrzehnte sei der Butterkonsum schuld. Hier geriet statt der Butter plötzlich sogar die Margarine ins Schussfeld. Kritiker der Antibutter-Front wiesen und weisen auf auffällige Parallelen zwischen wachsendem Margarineverzehr und Herzinfarkthäufigkeit hin. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen: die Transfettsäuren. Vermehrt genossen, führen sie zu einem Ansteigen des schädlichen LDLCholesterins – und sie entstehen u.a. bei der für die Margarineherstellung notwendigen industriellen Härtung von Pflanzenölen. Besser gesagt: Sie enstanden. Da die Industrie auf die alarmierenden Nachrichten aus den Forschungslabors prompt reagiert und neue Herstellungsverfahren entwickelt hat, können Margarine-Fans sich ihr vegetabiles Speisefett heute weitgehend wieder ohne Transfettsäuren-Bedenken schmecken lassen. Ob sie den Butteressern gesundheitlich etwas voraus haben, ist allerdings immer noch die Frage.

Erlaubt ist, was schmeckt

Falls nun wie aus der Pistole geschossen die Antwort kommen sollte „Also wenn schon nichts anderes – Butter macht dick, Margarine nicht“: Auch dies gehört ins Reich der Ernährungsmärchen. Tatsache ist, dass Butter und Margarine fast den gleichen Fettgehalt haben: Butter 82 Prozent, Margarine 80 Prozent. Und was den Cholesteringehalt der Butter angeht: Wer glaubt, Cholesterin sei eine Art Gift, sollte daran denken, dass es in großen Mengen in der Muttermilch vorkommt. Schon deswegen kann es für uns eigentlich nicht schädlich sein – und so ist es auch. Denn Cholesterin ist kein „Fremdkörper“. Der menschliche Organismus selbst produziert dieses so genannte Steroid, und die fettartige Substanz erfüllt wichtige Aufgaben in unserem Körperhaushalt: Sie ist am Aufbau der Zellmembranen und an der Bildung von Hormonen sowie von Vitamin D beteiligt und für den Fetttransport zuständig. Nach dem heutigen Stand der Forschung scheint der menschliche Organismus zudem die Fähigkeit zu besitzen, seine eigene Cholesterin-Produktion nach der über die Nahrung erfolgten Cholesterinzufuhr auszurichten: Wird viel Cholesterin zugeführt, senkt sich die Eigenproduktion, mangelt es an cholesterinhaltiger Nahrung, erhöht sie sich. Butter stellt für gesunde Menschen also kein Problem dar, da sich ihr Cholesterinspiegel quasi von selbst ausgleicht. Auch Omas Küchenweisheit von der bekömmlichen, leicht verdaulichen Butter scheint im Nachhinein physiologisch gerechtfertigt. Medizinexperten weisen nämlich darauf hin, dass Butter als einziges Fett direkt vom Körper genutzt werden kann, ohne in der Leber „vorverarbeitet“ zu werden. Im Grunde ist bei der Wahl des Speisefetts also erlaubt, was schmeckt – vorausgesetzt man ist gesund und der tägliche Fettverzehr hält sich in dem von Ernährungsexperten empfohlenen maßvollen Rahmen. Für bewusste Genießer, die einerseits vegetabile Fette bevorzugen, andererseits aber großen Wert auf natürliche Nahrungsmittel legen, könnte die Entscheidung jedoch schwierig werden. Denn selbst die hochwertigste und leckerste Pflanzenmargarine hat gegenüber der Butter einen entscheidenden Nachteil: Sie ist und bleibt ein industriell hergestelltes Kunst-Fett. Kasten

Arteriosklerose und Cholesterin

Die auch als Arterienverkalkung bekannte Arteriosklerose ist eine Gefäßerkrankung, bei der sich an den Wänden der vom Herzen wegführenden Adern (Arterien) vermehrt Kalksalze, so genannte Lipoide (fettähnliche Stoffe) und LDL-Cholesterin ablagern. Dies führt zu einer zunehmenden Verengung der Arterien, durch die sich die Blutversorgung verschlechtert. Als häufige Folgeerscheinungen treten Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt) und Schlaganfall auf. – Das LDL-Cholesterin ist an der Entstehung der Arteriosklerose beteiligt: Ist zu viel davon im Blut, lagert es sich in die Arterienwände ein. Früher galten gesättigte Fettsäuren, die über die Nahrung aufgenommen werden, als Hauptauslöser für eine Erhöhung der LDL-Werte und damit des Arteriosklerose-Risikos. Heute weiß die Medizin, dass für beides ein Zusammenspiel vieler, individuell unterschiedlicher Faktoren ausschlaggebend ist. So können sich u.a. Vererbung, Lebensstil (Stress, Rauchen, Übergewicht), Erkrankungen wie Diabetes und Umwelteinflüsse negativ auf den Cholesterinspiegel auswirken und allgemein das Arteriosklerose-Risiko erhöhen. Die Ernährung spielt also nicht die zentrale Rolle.

Quellen: Das Barmer Lexikon. Gesundheit und Medizin von A – Z; Jacobeit, Sigrid und Wolfgang, Illustrierte Alltagsgeschichte des Deutschen Volkes, Band drei: 1810 –1900, Schönbrunn-Verlag Wien; Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V.; wahrheitssuche.org; aid.de; was-wir-essen.de; hr-online.de; gesundheit.com; ard.de; lgl.bayern.de; gesund-essen.net; margarine-institut.de; zentrum-der-gesundheit.de; wikipedia

 




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